Legenden der Kampfkuhle

„Legenden der Kampfkuhle“

Ein Kreisligaverein in Duisburg produziert sein eigenes Sammelheft mit Amateurfußballern und finanziert damit einen neuen Kunstrasenplatz

Kaufen, kleben, tauschen – knapp drei Dutzend jüngere und ältere Fußballliebhaber schieben Klebebilder über Holztische: An Spieltagen verwandelt sich Wochen das Vereinsheim des TuS Mündelheim an der Straße Auf dem Hunsrück in Duisburg in eine Tauschbörse für Fußballsticker. Doch das Sammelheft zeigt weder Schweinsteiger noch Hummels, sondern die 232 Fußballer und Fußballerinnen des Kreisligavereins aus dem Duisburger Süden: „Legenden der Kampfkuhle“ haben sie ihr Heft augenzwinkernd genannt. Klebebilder für einen guten Zweck: Ein Kunstrasenplatz soll her. Und der ist teuer.

Fast alle Spieler haben sich für das vereinseigene Stickeralbum fotografieren lassen – vom sechsjährigen Bambini-Kicker bis zum 65-jährigen Alte Herren-Spieler. „Selbst auf den Stickern zu sein, ist noch cooler als die Fußballbilder bei der WM zu sammeln“, findet Ben Hellwig. Der Elfjährige zeigt stolz auf den Sticker 44, auf dem er selbst im Trikot zu sehen ist – fast so wie ein Nationalspieler. Die leeren Stellen auf der Doppelseite seiner Mannschaft, der D-Junioren, hat er schon fast komplett gefüllt. Das ist auch kein Wunder, denn in Mündelheim sammelt und tauscht seit Mitte Januar so ziemlich jeder.

Sammelalben und Sticker gibt es zum Beispiel im Reisebüro, an einem Kiosk oder in einer Bäckerei. Ein Album kostet drei Euro; eine Fünfertüte Klebebilder 80 Cent. „Die Kinder wollen beim Brötchen kaufen kein Wechselgeld zurück bekommen, sondern für das Geld lieber Sticker haben“, berichtet Axel Wunderlich, Leiter der Fußballabteilung und Mitinitiator des ersten eigenen Sammelalbums, „der ganze Stadtteil ist im Tauschfieber, so einen großen Ansturm hätten wir am Anfang nie erwartet“.

„Die Idee entstand aus einer Bierlaune heraus“, sagt er schmunzelnd. Eine Gruppe Spieler hatte sich in der „dritten Halbzeit“ zusammengesetzt und überlegt, wie ein Kunstrasenplatz für den Verein finanziert werden könnte. Denn im Moment spielt der Kreisligaverein auf einem Platz mit reichlich durch geweichtem Ascheboden, der sogenannten „Kampfkuhle“.

70.000 Sticker wurden gedruckt, knapp die Hälfte bereits verkauft. Ohne die Hilfe der „TuS-Familie“ wäre es nicht möglich gewesen, das Heft so schnell, so professionell und so persönlich hinzubekommen, sagt Wunderlich. Besonders für das Einpacken der Sticker brauchte es viele helfende Hände: „Es kamen 60 Menschen, die in kurzer Zeit 20.000 Sticker verpackt haben.“

Auch nach dem Verkaufsstart brummt das Stickergeschäft im Vereinsheim. „Reichtümer können wir mit dem Verkauf aber nicht erzielen“, gesteht Wunderlich ein. Denn alle Bilder wurden – anders als bei kommerziellen Sammelheften – in gleicher Menge gedruckt. Wer geschickt tauscht, bekommt das Heft also recht schnell gefüllt. Die Einnahmen reichen noch nicht für den neuen Platz, deswegen hofft der Verein auf Sponsoren. „Ob es in der nächsten Saison eine Weiterführung des Sammelalbums geben wird, ist noch offen.“ Zunächst wolle er den Verkauf der Klebebilder zu Ende bringen.

Für die Mitglieder steht die finanzielle Absicht schon längst nicht mehr im Vordergrund: „Das Sammeln macht einfach Spaß und erinnert mich an früher“, erzählt Martina Faeser, seit 40 Jahren Vereinsmitglied. Zwei Tische weiter sortiert Günter Brunnen seine „Doppelten“, die er zum Tausch anbietet, in Plastikdosen. „Das Heft ist wie eine Chronik: Wenn jemand später Kinder hat, kann er es rausholen und ihnen zeigen“, freut sich der Fußballer.

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